AUSZUG | eb - Elektrische Bahnen 10/2015

469 113 (2015) Heft 10 Standpunkt Wie war das doch gleich mit dem Strom? enn man in irgendeinem Zusammen- hang das Wort Strom vernimmt, denkt man meistens, aber nicht ausschließlich, an Elektrizität. Strom kann ziemlich viel meinen. Am häufigsten begegnet uns der Begriff als Syno- nym für etwas, was Strom selbst genau genommen nicht ist, nämlich elektrische Energie . Dieses Begriffs- gebilde kann einem ziemlich umständlich erschei- nen, wogegen Strom kürzer ist. Es scheint auch ge- nau so klar zu sein, was aber nicht zutrifft. Und es wird auch nicht dadurch besser, dass der Gesetzgeber in Deutschland im Stromsteuergesetz (StromStG) die Einheit für Strom mit Megawattstunde (MWh) definiert – und damit die an Schulen, Hoch- schulen und Universitäten gelehrte Physik insoweit auf den Kopf stellt. Eigentlich. Denn auch dort hat man sich mittlerweile dem Mainstream angepasst und nimmt es offenbar nicht mehr so genau; ein Eindruck, wenn man sich die eine oder andere Diplom- oder Masterarbeit und auch Veröffentlichungen ansieht. Schlussendlich findet man den Begriff Strom heutzutage in einer Vielzahl auch offizieller Doku- mente ungenau verwendet oder im falschen Zusam- menhang wieder. Dabei gibt es mit elektrischer Energie , Elektrizität , Elektrifizieren oder früher auch Elektrisieren Begriffe, die wohl klingen und eine gewisse Spannung im übertragenen Sinn erzeugen. Man kann in alten Aus- gaben der eb nachschlagen und findet diese Begriffe in zuallermeist richtiger Anwendung. Strom ist ein Überbegriff für vielerlei, in unserem Kontext zumeist als elektrischer Strom. Es gibt den Begriff Strom aber auch in anderen Zusammenhän- gen, beispielsweise bei Flüssigkeiten oder Gasen. Und Verkehrstechnologen sprechen vom Verkehrs- strom . Dichter sprechen von Strömen und Bächen. Strom kennzeichnet also etwas, was sich bewegt. Aber zurück zum elektrischen Strom: Er ist da- durch gekennzeichnet, dass sich in einem Leiter, im Stromkreis, ein paar Trillionen Elektronen je Zeitein- heit bewegen. Damit er fließen kann, benötigt es eine Spannung. Das Produkt aus Stromstärke und Spannung ist bekanntlich die Leistung, über die Zeit betrachtet haben wir es mit Energie zu tun. Da haben wir es! Der Strom weist auf den prinzi- piellen Vorgang des Flusses elektrischer Energie hin, er ist für diesen ein Zeichen, ein Symptom, aber kein Synonym. Die Stromstärke dagegen ist eine der drei genannten Größen, welche die Energiemenge quan- titativ angeben, und zwar eindeutig. Anders als zum Beispiel beim Energiestrom in einer Gasleitung bedarf es keiner energetischen Umrechnung beim Wechsel auf einen anderen Lieferer. Ganz abgesehen davon, dass elektrischer Strom natürlich keine Farbe hat. Solange die Kenntnis dieser Zusammenhänge bewahrt bleibt, entsteht aus der symptomatischen Verwendung des Wortes Strom im Hinblick auf elektrische Energie vermutlich kein Schaden. Die Redaktion der eb hat sich seit Jahren zu Eigen gemacht, die- se und andere Begriffe möglichst korrekt zu verwenden. Wir sind uns bewusst, dass dieses gelegent- lich ähnliche Begriffskompromisse einbezieht. Wir verwenden also ganz bewusst den Begriff Bahn- energieversorgung , auch wenn Kri- tiker meinen, dass wir auch damit nicht korrekt sind, weil es für die Dieseltraktion auch eine solche gibt. Also ist es genau genommen die elektrische Bahnenergieversorgung, von der wir sprechen, oder sogar die Versorgung mit elektrischer Energie, weil nicht die Versorgung elektrisch funktioniert, son- dern die Energie. Wenn irgend möglich und sinnvoll, vermeiden wir auch Begriffe wie Ökostrom . In einer der letz- ten Ausgaben haben wir den Begriff Ökoenergie verwendet, und wurden von einem aufmerksamen Leser gefragt, was darunter zu verstehen sei. Es ist gar nicht so einfach, es in wenigen Worten genau zu umschreiben. Es müsste wohl heißen: elektrische Energie aus erneuerbaren Energieträgern. Ist kompli- ziert, aber sicherlich korrekt. Wichtig ist der Begriff Energieträger insofern, als die Energie selbst, erzeugt durch Umwandlung aus anderen Energiearten und verbraucht ebenfalls durch Umwandlung in andere Energiearten, dann nicht mehr vorhanden und inso- fern auch nicht erneuerbar oder nachwachsend oder regenerativ sein könnte. Wie mit dem Begriff Strom verhält es sich auch mit anderen Begriffen, die über die Umgangssprache Ein- gang in vermeintlich korrekte Dokumente gefunden haben. Dabei ist die Verwendung richtig genormter Begriffe eineindeutig, vermeidet Widersprüche und Fehlinterpretationen und schlussendlich auch Kos- ten, die anfallen, um Missverständnisse zu beseitigen. Bei der eb wollen wir, soweit es geht, uns an den Grundsatz, klare Begriffe zu verwenden, weiterhin halten. Dr. Steffen Röhlig Chefredakteur W

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